1992
1994

Die Strukturkrise als neue Erfahrung

Die Schweiz hatte zwar 1974 die Ölkrise erlebt, welche die Hochkonjunktur für kurze Zeit unterbrach. Aber das Zwischentief war relativ schnell überwunden, und Arbeitslosigkeit vermied man, indem man die Fremdarbeiterinnen und Fremdarbeiter nach Hause schickte. Tiefgreifende strukturelle Veränderungen hatte die Krise nicht zur Folge.

Das war beim Einbruch in den 1990er Jahren anders. Die 1991 einsetzende Krise, die unter anderem durch den Zusammenbruch des völlig überhitzten Immobilienmarktes ausgelöst wurde, hatte einen neuen Charakter. Sie deckte schonungslos auf, was bisher, zum Beispiel mit Firmenkäufen, noch hatte übertüncht werden können: Die Strukturschwächen der Schweizer Industrie. Der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme im Osten, die Öffnung von China, die Liberalisierung der Märkte und die damit verbundene Globalisierung bewirkten, dass die Konkurrenz definitiv weltweit wurde und gleichzeitig die Gefahr der Verlagerung von Produktionsstätten massiv zunahm. Statt Diversifikation lautete bei den Firmen das Schlagwort nun Konzentration aufs Kerngeschäft.

«Spürbare Auswirkungen»

«Die herrschende Rezession hat auch spürbare Auswirkungen auf die SAK», stellte Alfred Bürkler im Editorial der SAK Hus Zitig 1/93 fest. «Sie sind aber im Vergleich zu vielen Betrieben der Privatwirtschaft für unser Personal geringer und eine Gefährdung von Arbeitsplätzen besteht momentan nicht.» Dass es die SAK merkte, wenn die Industrie weniger Strom verbrauchte, lag auf der Hand. In der SAK Hus Zitig 3/93 wies Adolf Loser auf das Neuartige der gegenwärtigen Situation hin: «Die wirtschaftliche Rezession und der damit verbundene Verkaufsrückgang, gekoppelt mit einem hohen Investitionsbedarf, haben in der bald 80-jährigen Geschichte der SAK wohl eine einmalige Ausgangslage geschaffen. Vieles, was in der Vergangenheit noch als verkraftbar eingestuft wurde, bedarf im gegenwärtigen Umfeld einer neuen Beurteilung. Wir stehen allerdings mit dieser Herausforderung nicht alleine da.»

Im Editorial der SAK Hus Zitig 3/95 vermerkte Loser zwar Anzeichen eines konjunkturellen Aufschwungs, aber man stecke «immer noch in weiträumigen wirtschaftlichen und strukturellen Problemen». Die Krise in vielen Staatshaushalten sei ebenfalls noch nicht überwunden. «Fortsetzung des Strukturwandels», hielt Direktor Theo Wipf Ende 1996 fest. «Vorbei sind die Zeiten, in denen ein kontinuierliches Wachstum des Stromkonsums die Ergebnisse unseres Energiegeschäftes gleichsam automatisch verbesserte.» In der SAK Hus Zitig 1/97 konstatierte Loser: «Leider sind die Aussichten für eine wirtschaftliche Erholung noch immer nicht besser geworden.» Ein gutes Jahr später war dann auch in der SAK Hus Zitig endlich vom wirtschaftlichen Aufschwung die Rede.

Zweimal in den 1990er Jahren – 1993 und minim 1997 – war bei der SAK der Energieumsatz in Kilowattstunden rückläufig. Zur veränderten finanziellen Situation trug auch bei, dass nach der letzten Erhöhung des NOK/Kantonswerketarifs 1995 eine Trendwende eintrat und die Energieverkäufer parallel zu den Vorbereitungen auf die Marktöffnung Preisreduktionen gewährten. Die Entwicklung war jedoch nicht dramatisch. Die Investitionen wurden zwar reduziert, aber man fing sich auf und bildete wieder Reserven. 2000 stand die SAK finanziell gesund da, die Schulden waren abgebaut. Doch wie von Theo Wipf erwähnt, war es mit der kontinuierlichen, ruhigen Aufwärtsentwicklung der Hochkonjunktur definitiv vorbei: Energiesparmassnahmen, Preisreduktionen und Konjunktureinbrüche wie die Finanzkrise sorgen seither in Umsatz und Gewinn für beträchtliche Schwankungen.

Ein Haus «in die Hand gespielt»

Die Krise hatte auch einen  für die SAK nicht unwichtigen Nebeneffekt: Die SAK wollte nämlich beim Werkhof in Winkeln ein neues Verwaltungsgebäude bauen. «Sozusagen im letzten Augenblick vor der Baubeschlussfassung», schrieb Direktor Mario Schnetzler in der SAK Hus Zitig 4/92, «wurde uns eine Nachbarliegenschaft, die an unser Haus an der Pestalozzistrasse angrenzt, zum Kauf angeboten. Vor langer Zeit schon haben wir uns um eine solche bemüht. Die Rezession hat sie uns nun in die Hand gespielt, und wir werden sie nach einer Fundationssanierung sukzessive nach unseren Raumbedürfnissen für unsere Zwecke restaurieren und nutzen.» Dass die Mitarbeitenden am Hauptsitz heute in der Nähe des Hauptbahnhofs und nicht in Winkeln arbeiten, haben sie also der Krise der 1990er Jahre zu verdanken.

Liebreich Hofstetter

Von Schneestürmen und einem tapferen kleinen Mädchen

Liebreich Hofstetter war Platzmonteur in Gais und erinnert sich besonders an die heftigen Schneestürme in der Starkenmühle und am Gäbris, die Stromunterbrüche verursachten und ihn nachts aus dem Bett holten. Einmal musste ihm sogar seine kleine Tochter bei der Reparatur helfen.

«Am Anfang, in den 1960er-Jahren, ich war Platzmonteur in Gais, hatte ich keine Mitarbeiter. Gab es nachts eine Störung, gingen viele Telefone von Kundinnen und Kunden bei uns ein. Wir hatten dafür ein spezielles SAK Telefon. Waren ich und meine Frau draussen, um eine Störung zu beheben, nahm unsere älteste Tochter, damals ein Dreikäsehoch in der ersten Klasse, das Telefon ab. Sie sagte dann Dinge wie ‹Papa ist leider fort, aber er wird schon wieder kommen›.

Einmal musste ich sie in die Starkenmühle, zwischen Gais und Altstätten, mitnehmen. Meine Frau konnte nicht weg. Es war eine bissig kalte Nacht und ein Schneesturm wütete. Störungen gabs ja oft während Föhnstürmen oder wenn es im Herbst Schnee gab, während die Bäume noch Laub trugen oder in besonders kalten Wintern. Da konnte man zusammenhängen, was man wollte, kurz darauf knallte es wieder. Manchmal war ich nachts keine Stunde im Bett. Ich konnte ja die Leute, die auf Strom angewiesen waren, nicht warten lassen. Eine Frau klagte mir am Telefon, ihr würden eineinhalb Laib Käse verderben und sie stelle der SAK Rechnung, wenn ich nicht sofort für Strom sorge. Ich packte das Mädchen also gut ein und wir fuhren raus. Wegen des Schneesturms hatten sich zwei Drähte geplagt und gekitzelt, was den Strom wieder und wieder unterbrach. Die Kleine musste den Scheinwerfer halten und mir ‹zünden›, während ich auf den Mast stieg und die Isolatoren so montierte, dass sich die Drähte nicht mehr berühren konnten. Die Kleine stand regungslos eine halbe Stunde im wirbelnden und pfeifenden Sturm und hielt tapfer den Scheinwerfer, damit ich arbeiten konnte.

Überhaupt gehörten Störungen im Winter zu unseren härtesten Einsätzen. Winterstürme in Gonten, gegen den Skilift hinauf, oder am Gäbris, die sind einfach nicht normal. Einmal riefen uns die Bauern früh morgens an, sie hätten keinen Strom und müssten doch die Kühe tränken. Am Schwäbrig ist das Netz fein verzweigt, das ganze Gebiet war vom Strom abgeschnitten. Dabei hätten wir alleine keine Störungen beheben dürfen, aber ich konnten die Leute doch nicht so lange warten lassen, bis ein Kollege auf Platz war. Der Schnee lag so hoch, dass ich mit Skiern aufsteigen musste. Es scheite und schneite und war bitterkalt. Als ich die Störung behoben hatte, rief ich meine Frau an, sie solle schon heisses Wasser in die Badewanne einlassen, ich sei durchgefroren und müsse mich ganz schnell aufwärmen. Das waren Zeiten! Damals waren Freileitungen die Regel, heute gibt es in Gais keine einzige Stange mehr. Alle Leitungen liegen im Boden. Überhaupt sind wir in der Schweiz sehr gut dran mit den Freileitungen. In Österreich und Deutschland hängt das Zeugs noch herum, dass schon das Hinschauen Störungen verursacht.»

Liebreich Hofstetter war von 1955 bis 1994 bei der SAK tätig, zuletzt als Platzmonteur.

Zahlen und Fakten

Direktor
Mario Schnetzler (bis Mai 1993)
Theo Wipf (ab Juni 1993)
Direktion
Alfred Bürkler, Adolf Loser
Verwaltungsratspräsident
Hans Ulrich Stöckling
Verwaltungsrat
Hans Niederer, Prof. Dr. Willi Geiger (bis Februar 1993), Titus Giger, Beat Graf, Hans-Peter Härtsch (ab Februar 1993), Hans Höhener, Beat Jud, Dr. Walter Kägi (ab Februar 1993), Alex Oberholzer, Hans Rohrer, Dieter Schmidheini (bis Februar 1993), Alfred Stricker, Franz Würth
Anzahl Mitarbeitende
247
Fläche Versorgungsgebiet
2’325 km2
Einwohner
400’000
Energie
2’339 Mio. kWh
Produktion
7 Kraftwerke
Netz
38 Unterwerke
855 Trafostationen
ca. 3’800 km Stromnetz